Ein Theaterbesuch mit netten Freunden gehört für viele Kulturinteressierte zur Selbstverständlichkeit. Hörgeschädigte Menschen sind von dieser Selbstverständlichkeit oft ausgeschlossen. Es sei denn, sie sind zu Gast bei „Fidele Horst“.
Perfekte Körpersprache
Dort betreten zu Beginn nämlich zuerst Nora Bauckhorn und Christina Kirketerp die Szenerie. Die beiden Frauen gehören nicht zum Ensemble des Theatervereins, dabei sind ihre Mimik, Gestik und ihre gesamte Körpersprache perfekt gemacht für ein Leben auf der Bühne. Sie sprechen kein Wort und doch sagen sie mit ihren Händen und ihren Gesichtszügen alles, was die Schauspieler von sich geben. „Wir haben uns schon mit dem Thema Inklusion beschäftigt, da gab es das Wort noch gar nicht“, erklärt Regisseur Olaf Weichert mit Blick auf die beiden Gebärdendolmetscherinnen. Seit drei Jahren setzt „Fidele Horst“ auf diesen besonderen Service: eine der sieben Veranstaltungen im Mondpalast direkt von zwei Gebärdendolmetscherinnen übersetzen zu lassen. Aus Sicht von Weichert verfügt der Theaterverein in Herne damit noch über ein Alleinstellungsmerkmal. Der 58-Jährige hätte allerdings nichts dagegen, wenn sich das schnell ändern würde. „Für uns wäre es eine Ehre, wenn wir in diesem Zusammenhang vielleicht eine kleine Vorreiterrolle einnehmen können.“
„Ein Inklusions-Fonds wäre sinnvoll“
Gegen diese Entwicklung hätte auch Martin Ruhmann nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Als Diakon und Seelsorger der Gehörlosen- Gemeinde Herne kennt er die Barrieren, mit denen Gehörlose nicht nur im Theater zu kämpfen haben, nur zu gut. „Wir haben hier die seltene Chance, dass Hörende und Gehörlose gemeinsam ein Theaterstück erleben. Das ist toll, denn so können die Gehörlosen in die hörende Welt reinschauen. Wir werden sicherlich auch in Zukunft nicht jedes Theaterstück mit Dolmetschern anbieten können, aber wir sind schon bemüht, mehr Kulturveranstaltungen für verschiedene Personengruppen zu öffnen“, erklärt Ruhmann, der auch beim Forum Inklusion engagiert ist und den Kontakt zu Nora Bauckhorn und Christina Kirketerp herstellte.
Winken statt Applaus
Die beiden Gebärdendolmetscherinnen sind echte Profis, die sich bereits im Vorfeld der Veranstaltung intensiv auf die Übersetzung vorbereitet haben. Natürlich hat so etwas auch seinen Preis. Weichert: „Es wäre sinnvoll einen Inklusions-Fonds zu schaffen,mit dem verschiedene kulturelle Veranstaltungen – nicht nur in unserem Theater – unterstützt werden.“ Für diesen Vorschlag gäbe es sicherlich auch von Seiten der Gehörlosen viel Beifall. So wie an diesem Abend nach der Aufführung. Geklatscht wird allerdings nicht. Gehörlose strecken die Hände auf Kopfhöhe und winken. Diesmal schließen sich auch die Hörenden diesem Winken an. Ein schönes Zeichen: So funktioniert Inklusion …